Das Handwerk des Glockengießens "Von der Stirne heiß..."

Das Glockengießen gilt seit jeher als große Kunst. Die Technik hat sich dabei kaum verändert, seit Friedrich Schiller das "Lied von der Glocke" schrieb.

 Mitarbeiter der Glockengießerei Grassmayr während eines Glockengusses
In der Glocken-Gießerei. Bild © picture-alliance/dpa
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Die frühesten erhaltenen Schriften die diese Technik, das sogenannte Lehmformverfahren, beschreiben, stammen von Christoph Sesselschreiber aus dem Jahr 1524. Die ältesten Glocken die in diesem Verfahren hergestellt wurden, sind jedoch weit älter. Die im Jahre 1038 gegossene Lullusglocke in der Stiftsruine Bad Hersfeld ist die älteste datierte Glocke Deutschlands.

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Zu Besuch in der Glockengießerei

Bis heute gibt es traditionsreiche Glockengießereien in Deutschland. Eine der ältesten ist die Glockengießerei Rincker im hessischen Sinn. Dort werden bereits in der 13. Generation Glocken gegossen. Nach Voranmeldung kann man sich vor Ort selbst ein Bild machen von der Kunst des alten Handwerks.

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Die Glocken werden durch das Gießen in eine Form hergestellt. Das dabei verwendete Gussmaterial heißt "Glockenspeise" und ist meist eine Zinnbronze aus 76 bis 80% Kupfer und 20 bis 24% Zinn. Das Prinzip des Lehmformverfahrens kann man sich bildlich als das Ineinanderschieben dreier unterschiedlich großer Blumentöpfe vorstellen. Dabei werden drei Lehmformen angefertigt: Ein Glockenkern, eine Mittelschicht, die sogenannte falsche Glocke und ein Glockenmantel.

Schrittweise Fertigung

Der Glockenkern ist eine in der Erde fixierte Form. Sie wird in einer Grube als Hohlkörper gemauert und mit Lehm bestrichen. Die Lehmschicht wird mit einem rotierenden Schaber abgezogen und muss dann austrocknen. Auf die ausgetrocknete Lehmschicht bringt man ein Trennmittel auf (Talg, Fett, Graphit).

 Mitarbeiter der Glockengießerei Grassmayr während eines Glockengusses
Über 1000 Grad ist das Metall heiß. Bild © picture-alliance/dpa

Auf den fertigen Glockenkern wird wiederum Lehm aufgetragen. Das ist die falsche Glocke. Sie hat genau die Form der späteren Glocke. Nachdem auch diese Lehmschicht getrocknet ist, werden auf ihr alle Verzierungen und Schriften, die die fertige Glocke schmücken sollen, aus Wachs aufgebracht. Abschließend wird auch auf diese Wachsschicht wieder Lehm aufgetragen. Diese äußere Lehmschicht ist der Glockenmantel.

Sind diese Arbeitsschritte abgeschlossen, wird das Ganze mit einem Feuer im hohlen Glockenkern ausgebrannt. Anschließend wird der Mantel abgehoben und die falsche Glocke zerschlagen. Danach wird der Mantel wieder aufgesetzt. Zwischen Kern und Mantel ist nun ein Hohlraum. Das ist die Form, die die spätere Glocke haben wird.

Mehrere Wochen Abkühlzeit

Zum Guss wird die Grube, in der die Glockenform steht, mit Erde gefüllt und ordentlich verdichtet. Das ist notwendig, damit die Form den beim Gießen entstehenden Druck aushalten kann. Über Rinnen wird die erhitzte Glockenspeise (≈1100°C) durch das Gussloch in die Form geleitet. Durch ein oder zwei andere Löcher entweicht die Luft und die beim Gießen entstehenden Gase.

Nach mehrwöchiger Abkühlzeit kann die Glocke aus der Form geholt werden, wobei erst dann sichtbar wird, ob der Guss gelungen ist. Als Termin für den Guss wird traditionell der symbolträchtige Freitagnachmittag um 15 Uhr – die Sterbestunde Jesu Christi – gewählt.

Notlösung Gussstahl

Verschiedene Glocken
Verschiedene Glocken Bild © picture-alliance/dpa

In den Jahren des ersten und zweiten Weltkrieges entstanden Glocken auch aus anderen Materialien, wie beispielsweise Gussstahl. Bronze war in dieser Zeit der Kriegsindustrie vorbehalten. Diese Gussstahl-Glocken haben jedoch eine weit kürzere Lebensdauer und meist auch einen schlechteren Klang. Sie blieben daher weitgehend ein Krisenphänomen. Dennoch gibt es bis heute Gussstahl-Glocken an prominenter Stelle. Ein Beispiel ist die Kaiser-Ruprecht-Glocke in der Stiftskirche in Neustadt an der Weinstraße. Sie ist mit 14.000 kg die schwerste schwingend geläutete Gussstahlglocke überhaupt und die zweitgrößte Glocke Deutschlands nach der St. Petersglocke im Kölner Dom.

Traditionshandwerk

Kirchenglocken sind oft variantenreich verziert; sie zeigen beispielsweise ein figürliches Relief (Heiligenfigur oder Kreuzigungsgruppe). Viele Glocken sind seit dem Spätmittelalter mit Datum und mit dem Gießernamen versehen.

Von Janine Knoop-Bauer

Quelle: hr4