Vogelsbergkreis Lauterbach: Ev. Stadtkirche

Bereits 812 wird in Lauterbach eine Kapelle erwähnt. Die „capella“ in Luderenbach, dem heutigen Lauterbach, war eine kleine romanisch Tauf- und Missionskirche, die schon gut 450 Jahre vor der Stadtgründung (1266) da war.

Stadtkirche in Lauterbach
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Als geistlicher Lehnsherr berief der Abt aus Fulda die Grafen von Ziegenhain zu Vögten über das Klostergebiet. Diese verliehen Lauterbach an die Herren von Eisenbach. Von ihnen gelangte die Untervogtei an die Riedesel, die seitdem den Beinamen zu Eisenbach tragen und, noch heute das Patronatsrecht über die Stadtkirche ausüben. Im 14. Jahrhundert wurde eine gotische Kirche errichtet, die mit ihrem Chor nach Osten, dem Rathaus zu, ausgerichtet war. Unter dem Freiherrn Hermann IV Riedesel, einem Freund des Landgrafen Philipp von Hessen, erlebte Lauterbach bereits im Jahre 1526 die Einführung der Reformation.

Die Stadtkirche zu Lauterbach wird den schönsten evangelischen Rokoko-Kirchen Hessens zugerechnet. Sie wurde ab 1763 bis 1767 von Georg und Georg Veit Koch von Grund auf neu erbaut. Die stattliche Saalkirche, mit kräftiger Pilastergliederung und einem gewaltigen Mansarddach ist schlicht gestaltet. Nur die Schauseite zum Markt mit dem hohen, quadratischen Turm ist ornamental verziert und mit dem steinernen Prunkwappen der Patronatsherren versehen.

Das Innere wirkt durch seine Weiträumigkeit. Die zarten Rokoko-Stukkaturen sind in mild wechselnden Pastellfarben rosa, hellgrün und gelb getönt. Die geräumige Predigtkirche ist an drei Seiten von zweistöckigen Emporen umgeben und hat ca. 1000 Sitzplätze. Vom Taufstein über das Lesepult in der Chorbrüstung wird der Blick hinter den Altar auf die reich geschmückte Kanzelwand gelenkt. Aus ihrer sanften Schwingung mit rötlich getöntem Marmor tritt die lapislazuli-blaue Kanzel überstark mit dreiviertel eines Kreises hervor. Hier steht die Kanzel im gleichen zentralen Blickpunkt der Kirche wie der Altar.

Die wertvollsten Grabdenkmäler der Riedesel, eine steinerne Madonna und einige kleinere Bildwerke, sind aus der gotischen Vorgängerkirche übernommen. Das kostbarste erhaltene Stück aber ist ein spätgotischer Marienaltar, der im benachbarten Hohhausmuseum aufbewahrt wird.

Die Glocken

Viele Lauterbacher Bürger hatten den Glockenschlag zu jeder Viertelstunde und das regelmäßige Läuten vermisst: Vor ein paar Wochen war der Blitz in den Turm der Stadtkirche eingeschlagen und hatte die elektronische Steuerung des Geläutes und der Turmuhr beschädigt. Gott sei Dank hielt sich der Schaden in Grenzen und konnte bald behoben werden, sodass der vertraute Glockenschlag wieder zu hören ist.

Zum Geläut hier einiges Wissenswerte:

Von den fünf Glocken wurden 1942 vier Stück beschlagnahmt, von denen am 24.02.1948 und am 17.01.1949 je eine wieder zurückgeliefert wurde. Zwei Glocken wurden 1950 von Grüninger & Söhne, Neu-Ulm, neu gegossen. Anstelle der früheren "Schul"-Glocke stifteten die Freiherren Riedesel zu Eisenbach nach dem 1. Weltkrieg und nach deren Verlust nochmals nach dem 2.Weltkrieg eine Glocke für ihre gefallenen Familienangehörigen, die "Gedächtnis-Glocke".

Das Geläut besteht heute noch aus 4 Glocken, nämlich der

  • "Elfer"-Glocke, die um 11.00 Uhr zum Gebetsläuten erklang, Ton Es,
  • der "Bürger"-Glocke, die wie die "Elfer"-Glocke im Jahre 1699 von Johannes Schirnbein aus Marburg gegossen wurde,Ton F,
  • der "Gedächtnis"-Glocke,Ton G (siehe oben), und
  • der "Vaterunser"-Glocke, gegossen 1743 von Kutschbach,Ton B.


Neben diesen vier Glocken ist noch die ebenfalls von Kutschbach im Jahre 1752 gegossene "Sturm"-Glocke vorhanden,Ton As, die aber nicht an eine Läutemaschine angeschlossen und daher nicht mehr in Betrieb ist. Nur in der Silvesternacht ist sie zu hören.

Zum sonntäglichen Gottesdienst erklingt Glocke 2 um 09.00 Uhr zum Vorläuten, das Hauptläuten von 09.50 Uhr bis 09.58 Uhr. Zum Vaterunser läutet Glocke 4.

Bei Taufen und Trauungen ist das gesamte Geläut 5 Minuten zu hören, bei Beerdigungen die Glocken 1 und 2 jeweils 10 Minuten.

Als Früh-, Mittags- und Abendgeläut erschallt Glocke 1 um 07.00 Uhr, um 12.00 Uhr und um 20.00 Uhr jeweils für 3 Minuten.

Die Turmuhr läßt uns die Zeit viertelstündlich über Glocke 3 und zur vollen Stunde über Glocke 2 hören.

Pfarrer Stefan Klaffehn

Quelle: hr4